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„Bilder sind weit weg von der Realität“

Ob und wie Influencer unser Frauenbild beeinflussen, haben wir im Gespräch mit Kommunikationsexpertin Uta Rußmann erörtert.

Immer lauter wird der Ruf nach Regeln in der Blogosphäre. Erst kürzlich brachte eine Studie von Schauspielerin Maria Furtwängler bedenkliche Tendenzen zum Vorschein. Die gemeinsam mit ihrer Tochter gegründete Stiftung MaLisa, die sich der Gleichstellung von Mann und Frau in der Gesellschaft verschreibt, gab eine Studie zu den Rollenbildern in Social Media in Auftrag. Fazit: Schönheit, Essen, Liebesdramen – das Frauenbild, das allen voran von Influencern transportiert wird, orientiere sich stark an den Gender Klischees der Fünfziger, so Furtwängler. Weiters sei der Unterschied zwischen jenen Selbstbildern, die Männer, und jenen, die Frauen kreieren, signifikant. Während Männer eine weitaus spendablere Bandbreite an Themen bedienten, sei jene der Frauen eher beschränkt. Politik und Technik seien jedenfalls Genres, die bei Youtuberinnen und Instagramerinnen vergeblich zu suchen wären. Dass bei weiblichen Influencern Make Up Tutorials weit vor Politikdiskurs und Gesellschaftsdebatte stehen sollen, lässt vor allem rund um den Weltfrauentag aufhorchen. Denn nachdem Feministinnen jahrzehntelang gegen genau diese Stereotype gekämpft haben, werden sie nun laut Studie ausgerechnet von weiblichen Meinungsführern wieder munter propagiert.

Doch stimmt das wirklich? Vermitteln Influencerinnen ein Bild, das einer feministischen Regression gleichkommt? Ist die backende Food Bloggerin, die, kokett lächelnd, Brownies und Bananenbrote aus dem Ofen zieht, tatsächlich eine Gefahr für ein modernes, aufgeklärtes Frauenbild? Limitiert uns die Innovation, anstatt uns zu entgrenzen? Bedrohen die perfektionierten Bilder, die Influencer auf ihren Feeds posten, unser emanzipiertes Selbstbild?

„Influencer kreieren Geschlechterstereotype“

Wir haben mit FH-Prof. Mag. Dr. Uta Rußmann, Spezialistin für Strategisches Kommunikationsmanagement und Neue Medien auf der FHWien der WKW, über das große Geschäft mit dem Klischee gesprochen.

FH-Prof. Mag. Dr. Uta Rußmann © feelimage / Matern

1. Frau Rußmann, als Kommunikationsexpertin haben Sie sich unter anderem auf den Bereich Visual Social Media spezialisiert. Womit beschäftigt sich der Fachbereich?

Visual Social Media beschäftigt sich mit der Produktion, dem Produkt, der Zirkulation und der Rezeption von visuellen Inhalten auf Social Media Plattformen wie Instagram, YouTube, Facebook und Twitter.

Bei der Produktion geht es um den Produktionskontext visueller Kommunikation. Hier steht die Frage, wann, warum und wie ein Bild oder Video entstanden ist, im Vordergrund.

Der Inhalt bezieht sich auf die Bedeutungsebene des visuellen Produkts. Die Ziele und Funktionen eines Bildes stehen im Vordergrund. Fragen werden zum Beispiel nach Motiv oder Materialität des Bildes gestellt: Ist es ein statisches Bild, ein Video, ein Gif oder doch ein Emoji?

Die Zirkulation beschäftigt sich mit dem Sharing von visuellen Social Media Elementen. Interessant ist dabei nicht nur, ob und wie Inhalte vor dem Teilen verändert wurden, sondern auch wie diese verteilt werden – nicht nur vom Nutzer, sondern auch vom Algorithmus.

Bei der Rezeption schließlich stehen die Nutzer im Fokus. Forschungsgegenstand sind Formen, Strukturen und Prozesse der Wahrnehmung sowie die damit verbundene Wirkung von Bildern und Videos. Eine wichtige Fragestellung ist zum Beispiel, inwiefern die beabsichtigten, intendierten Bedeutungen eines Bildes mit den rezipierten Bedeutungen konvergieren. Ein spannendes Feld, denn Deutung, Bedeutung, Interpretation und Sinn von Visuals sind kontextabhängig – sowohl vom soziokulturellen, als auch vom individuellen Kontext.

2. Der Themenbereich Visual Social Media ist demnach sehr breit. Wenn wir das Gebiet nun auf die Social Media Channel von Influencern eingrenzen, welche spezifischen Merkmale weisen die Bildwelten auf?

Influencer nutzen Social Media zum Impression Management, sprich zur Selbstdarstellung, mit dem Ziel die Wahrnehmung von sich selbst bei ihren Followern positiv bzw. zielgerichtet zu beeinflussen. Im Sinne des Soziologen Erving Goffman bildet Social Media die Bühne, auf der sich Influencer der Öffentlichkeit präsentieren können. Inszeniert werden perfektionierte, schöne (neue) Bildwelten, denn es sollen, wie in der Werbung Usus, positive Wahrnehmungen und folglich Emotionen ausgelöst werden. Influencer wollen schließlich nicht nur sich selbst, sondern auch Produkte vermarkten. Diese Bildwelten sind häufig weit weg von der Realität.

3. Im Rahmen des Kurier Business Breakfast hatten Sie auch das Frauenbild, das durch Influencer auf Instagram und Youtube transportiert wird, thematisiert. Wie nehmen Sie die Bildwelten der Influencer wahr? Welche Gefahren wähnen Sie darin?

Influencer posten keine leichtfertig gemachten Selfies oder Videos, diese sind fein abgestimmt, es wird auf den Frame, das Licht, das Editing geachtet: Was nicht gefällt, wird redigiert. Durch diese gezielt inszenierten Bilder, definieren Influencer eine bestimmte Kultur und kreieren bzw. forcieren Geschlechterstereotype. Vor allem Influencerinnen unterstreichen ein stereotypes Bild von Frauen: Sie sind dünn, haben langes Haar, tragen viel Make Up, lächeln oder schauen sexy und tragen immer tolle Outfits, oft nur einen Bikini. Sie widmen sich hauptsächlich Themen wie Beauty, Fashion, Fitness und Yoga sowie Reisen – und sie sind damit sehr erfolgreich, wie Influencerinnen wie Kylie Jenner, Kendall Jenner oder, im deutschen Sprachraum, Bibis Beauty Palace mit jeweils mehreren Millionen Followern beweisen. Bei männlichen Influencern ist es allerdings nicht anders, der Erfolg kommt mit der Verwendung von Stereotypen.

Eine bedenkliche Entwicklung, denn die große Mehrheit der Follower auf Instagram empfindet Influencer als glaubwürdige, vertrauensvolle und authentische Freunde.

Sie identifizieren sich häufig mit ihren Influencern und ahmen sie nach, indem sie zum Beispiel Youtube Videos nachstellen und posten. Influencer beeinflussen junge Menschen nicht nur in ihren Wahrnehmungen, Einstellungen, Entscheidungen und ihrem Verhalten, sondern auch in ihrer Identitätsfindung.

Dieser ethischen und moralischen Verantwortung scheinen sich Influencer nicht bewusst zu sein – und das, obwohl ihre stereotype Selbstdarstellung die Werte und Fähigkeiten von Frauen und Männern degradiert. Der Diskurs um Gender Equality wird dadurch sicher nicht gestärkt.

In diesem Zusammenhang muss aber auch die wachsende Zahl an Unternehmen bedacht werden, die Influencer Marketing nutzt. Auch den Unternehmen scheint soziale Verantwortung fremd zu sein. Es wird überhaupt nicht thematisiert, dass Influencer Marketing sich nicht positiv, sondern negativ auf Gender Equality auswirkt. Unterstützt werden klassische Frauen- und Männerbilder aus der Werbung – und das, obwohl Unternehmen aller Branchen und Größen heute zunehmend erklären, dass sie soziale Herausforderungen in ihre Aktivitäten, Strategien oder sogar Geschäftsmodelle integrieren.

4. Ist diese Betrachtung nicht sehr einseitig? Immerhin propagieren viele Influencer, wie zum Beispiel Modebloggerin Leonie Rachel, bewusst mehr Realität auf Instagram und kennzeichnen ihre Posts mit Hashtags wie #realness oder #liveauthentic. Außerdem veröffentlichen viele Influencer auch Postings ohne Make Up oder im Schlafanzug, um bewusst auf Makel aufmerksam zu machen. Reichen diese Maßnahmen nicht aus, um Gender Klischees entgegenzuwirken?

Festzuhalten ist, dass diese authentischen, die Realität abbildenden Posts einen sehr geringen Anteil der Posts auf Influencer Accounts ausmachen und damit sicher nicht ausreichen, um Gender Klischees entgegenzuwirken. Diese Posts gehen ja in der Masse der inszenierten Posts unter. Und unter diesen Posts mit Hashtags wie #realness oder #liveauthentic finden sich dann manchmal auch wieder Posts, die nicht zu 100% der Realität entsprechen, denn in der Regel sind wir Frauen nicht professionell geschminkt, wenn wir im Schlafanzug unseren Kaffee im Bett trinken. Um Gender Klischees und Stereotype aufzubrechen, braucht es eine kritische Masse. Wir kennen dies ja aus der Werbung. Einige wenige Marken wie Dove bilden die Realität ab, doch sind kaum andere Marken dieser Kampagne gefolgt. Was sich verkauft, das sind die schönen Dinge.

5. Denken Sie, dass Body Positivity Blogger, wie zum Beispiel Model und Influencerin Iskra Lawrence, das Frauenbild unserer Gesellschaft nicht auch positiv beeinflussen können?

Influencer wie Iskra Lawrence entsprechen sicher nicht klassischen Stereotypen und brechen diese so gesehen auch. Allerdings handelt es sich hier einerseits um einige sehr wenige Influencer unter vielen. Andererseits werden auch hier perfekt inszenierte Bilder präsentiert. Alles ist abgestimmt, Vorteile werden herausgestrichen, Nachteile retuschiert.

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Expect the unexpected. Style doesn’t have a size and if anyone ever tells you you can’t wear something because it’s not “flattering on you” 👋 byeeee…fashion is for you! It’s an expression, an art and whatever you damn well want it to be. Curves don’t have to be sexy, shown or bodycon all the time, but also if that’s your ting cool beans – just trying to give myself permission after years of thinking I had to dress my body in a certain way and hopefully inspire you all to be experimental with fashion too. Because you decide what you wear and who you wanna be in your life😘❤️ Ramblings over lol shoutout to @scotlouie for always pushing I know the fight as I’m not sample size and it means the world to me🙏 Thank you for getting creative with my hair @alexthaohair and this lip @sashaglasser 🥰 so grateful for you all and my @aerie fam for the best time last night❤️✨ . . . #fashion #ootd #glam #orange #pink #pinklips #iskra #style #updo #stylehasnosize

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6. Wir haben nun viel über Risiken und Schwächen von Influencer Marketing gesprochen. Erkennen Sie auch Möglichkeiten und Potentiale im Bildtransfer von Social Media, speziell im Feminismus?  

Bilder auf Social Media können sehr wohl zur Stärkung von Frauen in der Gesellschaft, der Politik, der Wirtschaft genutzt werden. Die Frage ist aber, ob auch Influencer das nutzen oder je nutzen werden. Ihr Ziel ist weniger der kritische Auftritt, ihnen geht es um die eigene oder die unternehmerische Vermarktung. Dazu braucht es quasi die perfekte Frau, die, überspitzt gesagt, dünn, langhaarig, langbeinig und sexy ist – und damit wird weder ein reales Frauenbild forciert noch gestärkt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Wie steht ihr zu dem Thema? Seht ihr ausschließlich die Influencer in der Verantwortung, oder ist mehr Medienkompetenz auch auf Seiten von Nutzern und Unternehmen zu fordern? Wir freuen uns auf eure Meinungsvielfalt! 

Und so zerbröselt der Keks nunmal,

Eure Rafaela von COMEPASS